Sind wir Frauen nicht hervorragend im Multitasking? Und auch noch stolz drauf?
Wir können gleichzeitig…
… mit einem Fuss die Tür der Waschmaschine zutreten, ein weinendes Kleinkind auf der Hüfte balancieren und mit einer Kollegin telefonieren.
… im Auto unsere Latte aus einem To-Go Becher schlürfen, mit einer Hand in der Handtasche kramen und über Bluetooth mit der besten Freundin ein Mädelswochende planen
… im Büro Emails beantworten, Podcast hören und die Kollegen/Kunden beobachten.
Ziemlich toll. Oder doch nicht?
Multitasking war schon immer wichtig für Menschen, denn oft war es schlicht überlebenswichtig, gleichzeitig verschiedene Aufgaben zu erledigen.
Denn viele Multitasking-Situationen haben durchaus ihre Berechtigung, wie zB.
- sich während eines Telefonats oder in einem Seminar Notizen zu machen
- Möbel eines schwedischen Anbieters aufbauen (Anleitung lesen und gleichzeitig schrauben)
- mehrere Speisen gleichzeitig zubereiten
- Autofahren und Verkehrsnachrichten im Radio hören.
In unserer modernen Gesellschaft allerdings scheint sich das irgendwie verselbstständigt zu haben. Für mich klingt die moderne Gleichung der permanenten Beschleinigung unseres Lebens vereinfacht so:
Je mehr Aktivitäten gleichzeitig -> umso besser/produktiver -> mehr Zeit ‚gespart’.
Das Paradox der Zeitersparnis
Wie funktioniert ‚Zeit sparen’ eigentlich?
Wenn ich etwas spare, zum Beispiel Geld auf einem Sparkonto, dann lege ich etwas zurück, um später darauf zugreifen zu können. Also verbrauche ich in der Gegenwart weniger, in der Zukunft dann irgendwann mehr davon.
Das funktioniert natürlich mit Zeit nicht so ganz. Klar, ich kann meine Hausarbeit am Vormittag schneller erledigen, und habe dann – nur so als Beispiel – 30 Minuten mehr Zeit am Nachmittag für meine Yoga Praxis.
Und das kann ich natürlich auch jeden Tag tun. Es wird mir aber nichts nützen, diese 30 Minuten pro Tag ein paar Wochen ‚anzusparen’, damit ich dann irgendwann ausreichend Zeit zusammengespart habe, um an einem 3-tägigen Yoga Retreat teilzunehmen.
Dieses ganze ‚Zeit sparen’ Konzept ist also fragwürdig.
Genauso übrigens wie „Zeit haben“.
Zeit kann man ja nicht besitzen. ‚Zeit haben’ kann sich meiner Meinung nach nur auf die individuelle Zeiteinteilung beziehen, und die ist ja bekanntlich in jedermanns eigener Hand. „Ich habe keine Zeit dafür…“ bedeutet ja eigentlich nichts anderes als „das ist mir nicht wichtig genug um mir dafür Zeit zu nehmen“.
Yoga ist Singletasking
So, nun aber mal wieder zurück zum eigentlichen Thema.
Ich habe mir vorgenommen, auch in meinem Alltag weniger Multi- und dafür viel mehr Single-Tasking zu betreiben.
Wenn ich also zu viele verschiedene Aufgaben versuche gleichzeitig erledigen zu wollen, werde ich mir in Zukunft die Erlaubnis geben, mir das Wichtigste/Dringendste/Schönste herauszusuchen, um mich ausschliesslich damit zu beschäftigen. Das bedeutet nicht, dass ich alles andere einfach unerledigt liegen lasse! Mal sehen, vielleicht mache ich mir einen Erledigungsplan, wann was erledigt wird.
Aber anstelle von mehreren Dingen gleichzeitig werde ich künftig versuchen, meine Aufgaben eher linear zu erledigen.
Ich glaube nämlich nicht, dass ich dadurch viel länger brauchen werde, bis alles abgearbeitet ist. Im Gegenteil, ich bin sicher, dass ich eine Aufgabe schneller und besser (auch im Sinne von Qualität) erledige, wenn ich mich einzig darauf konzentrieren kann. Das gilt ganz besonders für Interaktionen mit anderen Menschen! Und Yoga.
Ist Singletasking nicht genau das, was wir an unserer wertvollen Yoga Praxis so schätzen? Ich liebe ganz besonders die ersten Minuten einer Yoga Praxis. Die Momente, in denen man sich Zeit nimmt auf der Matte anzukommen. Die ersten ganz bewussten Atemzüge. Das Loslassen von Gedanken, die während der Yoga Praxis nichtz nützen. Für mich sind diese Minuten das Ritual zum Umschalten von Multi- zu Single-Tasking.
Das eigene Yoga
Es macht nichts, wenn die eigene Yoga Praxis nicht ‚perfekt’ ist.
Damit meine ich den Vergleich zur Yoga Praxis anderer Yogis und den damit einhergehenden angeblichen Standard von Perfektionismus.
Keine der scheinbar ‚perfekten’ Ausführungen, die uns zahlreich auf Instagram&Co. in retouchierten Fotos und bearbeiteten Videosequenzen vorgehalten werden, sehen im richtigen Leben auf der Matte auch genauso aus…
Jeder Körper ist toll. Jede Yoga Praxis ist einzigartig. Und perfekt!
Es kommt nicht darauf an, wie tief der Einzelne in eine Dehnung gehen kann, oder wie kräftig man ist im Vergleich zu anderen.
Ich falle im ‚Baum’ nach drei Sekungen um? Na und? Trotzdem perfekt.
Meine Yoga Zeit auf der Matte ist kein Wettkampf. Ich muss meinen Körper einzig uns alleine mit mir selbst vergleichen. Meine Mattenpraxis ist meine Zeit, mich frei, geliebt und lebendig zu fühlen.
Und das ist auch Singletasking.